Sanierungsverfahren mit und ohne Eigenverwaltung: Definition, Ablauf & Voraussetzungen
Als Sanierungsverfahren 1)§166 ff. IO werden jene Verfahren bezeichnet, bei denen der Schuldner mit dem Insolvenzantrag (spätestens jedoch bis zur Insolvenzeröffnung) einen Sanierungsplan vorlegt sowie dessen Annahme beantragt. Dieses muss zur Erhöhung der Erfolgschancen professionell vorbereitet und akribisch geplant sein.
Zuletzt aktualisiert am von Benedikt Brand
Inhaltsverzeichnis
Definition: Was ist ein Sanierungsverfahren?
Als Sanierungsverfahren wird das Insolvenzverfahren dann bezeichnet, wenn bei Eröffnung des vom Schuldner beantragten Verfahrens ein zulässiger Sanierungsplan vorliegt. 2)§167 IO
Liegt ein solcher Plan nicht vor, ist das Insolvenzverfahren als Konkursverfahren zu bezeichnen.
Das Ziel des Sanierungsverfahrens ist die rasche finanzwirtschaftliche Sanierung (Entschuldung) von Unternehmen durch Annahme eines Sanierungsplans. Dieses kann in Form eines Sanierungsverfahrens mit oder ohne Eigenverwaltung beantragt werden.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Formen der Unternehmenssanierung, welche überschuldeten Unternehmen zur Verfügung stehen. Das Sanierungsverfahren ist dabei der Kategorie der gerichtlichen Insolvenzverfahren zuzuordnen.
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Ablauf
Grundsätzlich entspricht der Ablauf des Sanierungsverfahrens jenem des Konkursverfahrens. Allerdings weist dieses folgende Besonderheiten auf:
- Die Eröffnung des Sanierungsverfahrens kann bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit beantragt werden 3)§167 IO
- Das Gericht hat mit der Eröffnungsentscheidung eine Sanierungsplantagsatzung auf 60-90 Tage nach der Eröffnung anzusetzen
- Das Unternehmen darf erst verwertet werden, wenn der Sanierungsplanvorschlag nicht innerhalb von 90 Tagen nach der Eröffnung angenommen wird. 4)§168 Abs. 2 IO
Voraussetzungen
Voraussetzung für die Eröffnung des Sanierungsverfahrens ist jedenfalls das Vorhandensein von kostendeckendem Vermögen oder die Leistung eines Kostenvorschusses. 5)§ 71 IO kostendeckendes Vermögen
Wenn kostendeckendes Vermögen vorhanden ist oder ein Kostenvorschuss gelegt wird, kommt es – wenn alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind – zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Folgende Unterlagen müssen vor der Eröffnung des Verfahrens mit Eigenverwaltung vorgelegt werden (Details siehe §169 IO):
- Sanierungsplan mit dem Angebot an die betroffenen Gläubiger binnen 2 Jahren eine Quote zu bezahlen (die Höhe richtet sich je nach Art des Sanierungsverfahrens)
- ein genaues Vermögensverzeichnis
- eine aktuelle und vollständige Übersicht über den Vermögens- und Schuldenstand, in der die Bestandteile des Vermögens auszuweisen, zu bewerten und die Verbindlichkeiten mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen sowie aufzugliedern sind (Status)
- eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage, aus der sich ergibt, wie die für die Fortführung des Unternehmens und die Bezahlung der Masseforderungen notwendigen Mittel aufgebracht und verwendet werden sollen (Finanzplan)
- ein Gläubigerverzeichnis
- eine Übersicht darüber, wie die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Mittel aufgebracht werden sollen
- Angaben über die Anzahl der Beschäftigten und über die im Unternehmen errichteten Organe
- Informationen über die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere Finanzierungsmaßnahmen
- letzte 3 Jahresabschlüsse
Neben der Beauftragung eines spezialisierten Rechtsanwalts ist eine professionelle betriebswirtschaftliche Vorbereitung des Sanierungsverfahrens (u.a. genaue Analyse, Status zu Liquidationswerten, Errechnung von Barquoten, Erstellung eines kurz- und mittelfristigen Finanzplans) sowie die laufenden Begleitung nach Insolvenzeröffnung (u.a. laufende Soll-Ist Vergleiche für Masseverwalter, Unterstützung bei der Verhandlung mit Gläubigern) ein wichtiger Erfolgsfaktor. Beauftragen Sie daher spezialisierte Berater und Anwälte mit Erfahrung, um die Erfolgschancen auf eine nachhaltige Entschuldung zu erhöhen und den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung
Der Vorteil des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung ist die geringere Quotenerfodernis in Höhe von 20% (statt 30% bei Sanierungsverfahren mit Eigenverantwortung). Voraussetzung für die Eröffnung des Verfahrens sind:
- Der Sanierungsplan liegt schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor 6)§167 IO
- Innerhalb von zwei Jahren müssen mindestens 20 Prozent der Schulden bezahlt werden können 7)§141 Absatz 1 IO
- die Mehrheit der Gläubigerinnen/Gläubiger stimmt dem Sanierungsplan zu
Zur Annahme des Sanierungsplans ist zu beachten, dass sowohl
- die Zustimmung der Mehrheit der bei der Sanierungsplantagsatzung anwesenden stimmberechtigten Gläubiger (Kopfmehrheit) als auch
- mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger (Kapitalmehrheit)
gegeben sein muss.8)§ 147 IO Erfordernisse für die Annahme des Sanierungsplans
Ist der Sanierungsplan bestätigt, ist das Insolvenzverfahren aufgehoben. Sodann wird der Masseverwalter seines Amtes enthoben und der Schuldner erlangt die Verfügungsbefugnis über sein/ihr Vermögen.
Nachfolgende Tabelle stellt die Vor- und Nachteile der gerichtlichen Sanierungsverfahren mit und ohne Eigenverwaltung sowie jene des außergerichtlichen Ausgleichs gegenüber.
Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung
Die Voraussetzung für das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung sind:
- Der Sanierungsplan liegt schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor 9)§167 IO
- innerhalb von zwei Jahren müssen mindestens 30 Prozent der Schulden bezahlt werden 10)§169 IO
- die Mehrheit der Gläubigerinnen/Gläubiger stimmen dem Sanierungsplan zu 11)§ 147 IO Erfordernisse für die Annahme des Sanierungsplans
- das Verfahren ist vorbereitet
Der wesentliche Unterschied zum Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung ist die höhere Quotenerfordernis (30% statt 20%). Außerdem kann die Schuldnerin/der Schuldner unter der Aufsicht eines Sanierungsverwalters über ihr/sein Vermögen verfügen. Somit gelten im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung wesentlich geringere Einschränkungen im Vergleich zum Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung.
Welche Faktoren sind für den Erfolg des Sanierungsverfahrens ausschlaggebend?
Ob die Gläubiger dem Sanierungsverfahren mit Kopf- und Kapitalmehrheit zustimmen, kann vor Insolvenzeröffnung und Beantragung des Sanierungsverfahrens nicht mit Sicherheit vorausgesehen werden.
In der Praxis sollten bei der Vorbereitung eines Sanierungsverfahrens folgende Faktoren berücksichtigt werden:
- Ist die Barquote und die Finanzierung der Fortführung sichergestellt?
- Wie hoch ist die Liquidationsquote (bei fiktiver Liquidation des Unternehmens) und beeinflusst diese die Höhe und mögliche Finanzierung einer Barquote?
- Werden die Lieferanten auch in Zukunft – trotz Wertberichtigung von Forderungen – mit dem Unternehmen zusammenarbeiten oder sind die Produkte schnell substituierbar?
- Wird im Sanierungsverfahren ein positives EBITDA erwirtschaftet? Fordert der Masseverwalter eine Fortführungsgarantie?
- Kann nach dem Sanierungsverfahren mittelfristig ein positives Ergebnis erwirtschaftet werden? (Macht das Sanierungsverfahren überhaupt Sinn?)
- Können mit dem Fortbetrieb auch die übrigen Quoten fristgerecht bedient werden oder benötigt das Unternehmen zusätzliche Finanzierungsbeiträge?
- Ist das Sanierungskonzept in sich schlüssig und wurden alle Kosten der Vorbereitung berücksichtigt? (unter anderem: Berücksichtigung von Aus- und Absonderungen wie zum Beispiel besicherte Gläubiger sowie unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware, Beendigungskosten für Dienstnehmer und etwaiger Filialschließungen sowie langfristiger Verträge)
In Summe muss ein in sich schlüssiges, fachkundig erstelltes Sanierungskonzept erstellt werden, um den Erfolg einer Sanierung zu gewährleisten.
Wer darf einen Antrag einbringen?
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Abschluss eines Sanierungsplanes kann von Schuldnern eingebracht werden. Gleichzeitig muss mit dem Antrag ein zulässiger Sanierungsplan vorgelegt werden.12)§ 167 IO
Welche Fristen müssen eingehalten werden?
Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens muss spätestens 60 Tage 13)§69 IO ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung gestellt werden.
Bei einer durch eine Naturkatastrophe (Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben, Epidemie, Pandemie oder ähnliche Katastrophe vergleichbarer Tragweite) eingetretenen Zahlungsunfähigkeit verlängert sich die Frist auf 120 Tage. 14)§69 (2a) IO
Welches Gericht ist zuständig?
Für die Anmeldung von Insolvenzen sind die Landesgerichte sowie in Wien das Handelsgericht zuständig.
Fazit
Die österreichische Insolvenzordnung stellt mit dem Sanierungsverfahren mit und ohne Eigenverwaltung ein in der Praxis beliebtes Instrument zur Verfügung, welches notleidende und überschuldete Unternehmen vor der Liquidation bewahren kann.
Wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Entschuldung ist jedenfalls ein mit Unterstützung von Sanierungsberatern und auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwälten ausgearbeitetes Sanierungskonzept sowie die professionelle Vorbereitung eines Sanierungsplans.
Haben Sie Fragen? Benötigen Sie Unterstützung bei der Entschuldung Ihres Unternehmens oder der Erstellung eines Sanierungsplans? Nehmen Sie Kontakt auf!
Benedikt Brand hat im Zuge der Covid-19 Krise zur Unterstützung von Unternehmern in Not den Praxisratgeber SOLVENT.at ins Leben gerufen. Das Ziel ist Entscheidungsträger über Sanierungs- und Restrukturierungsmöglichkeiten aufzuklären und so Wertschöpfungsketten zu erhalten.
FAQ
Anhang
Was ist ein Sanierungsverfahren?
Ein Sanierungsverfahren ermöglicht die Sanierung und anschließende Fortführung eines insolventen Unternehmens. Das Sanierungsverfahren kann dabei mit und ohne Eigenverwaltung beantragt werden. Beachten Sie jedenfalls die gesetzlich geregelten Anforderungen an einen Sanierungsplan.
Was ist ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung?
Das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung ist ein Sanierungsverfahren unter der Kontrolle eines Masseverwalters.
Was ist eine Sanierungsplantagsatzung?
Was ist eine Sanierungsplantagsatzung?
Die Sanierungsplantagsatzung dient der Verhandlung und Beschlussfassung über den Sanierungsplan und ist 60 bis 90 Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzuordnen 15)§145, 168 IO.
Was sind Masseforderungen?
Was sind Masseforderungen?
Im Zuge eines Sanierungsverfahrens entstehen bei der Fortführung des Unternehmens eine Vielzahl von Forderungen gegen die Insolvenzmasse (= Masseforderungen).
Masseforderungen sind vor den Forderungen der Insolvenzgläubiger aus der Masse (also dem, was nach Absonderung und Befriedigung der Absonderungsgläubiger noch übrig ist) bei Fälligkeit in vollem Umfang zu befriedigen. 16)§46 IO Wird dem Massegläubiger die Befriedigung verweigert, so kann er sich um Abhilfe an das Insolvenzgericht wenden oder seine Ansprüche gegen den Masseverwalter (beispielsweise bei Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) einklagen. 17)§124 IO
Wie läuft eine Unternehmenssanierung in der Praxis ab?
Wie läuft eine Unternehmenssanierung in der Praxis ab?
Um ein Unternehmen in der Praxis erfolgreich gerichtlich zu sanieren, ist vor allem die Erstellung eines Sanierungskonzepts notwendig. Dieses erfordert aufgrund der Komplexität und des gegebenen Zeitdrucks einen klar strukturierten Sanierungsablauf. Wie dieser aussehen kann, erfahren Sie im Artikel Unternehmenssanierung.
Referenzen