URG Kennzahlen

URG Kennzahlen & Reorganisationsverfahren

Das Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) sieht vor, dass der Unternehmer die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens beantragen kann, sofern Reorganisationsbedarf vorliegt. Das Ziel ist dabei die Erfolgs- und die Liquiditätssituation des Unternehmens zu verbessern und die Fortführung zu sichern. 1)§1 URG

Dieser Beitrag geht näher auf die Eröffnungskriterien eines Reorganisationsverfahrens sowie die Berechnung der URG Kennzahlen ein. Außerdem finden Sie weiterführende Links zu den Themen Überschuldung, Fortbestehensprognose, Sanierungsverfahren sowie Kontakte zu Sanierungsexperten.

Zuletzt aktualisiert am von Benedikt Brand

Kriterien für Eröffnung

Der Unternehmer hat im Antrag auf Einleitung des Reorganisationsverfahrens zu erklären, dass er nicht insolvent ist und das Unternehmen der Reorganisation bedarf.2)§ 4 (1) URG Das Vorliegen einer Überschuldung ist, sofern eine positive Fortbestehensprognose vorliegt, kein Hindernis.

Reorganisationsbedarf ist dabei bei “vorausschauend feststellbaren wesentlichen und nachhaltigen Verschlechterung der Eigenmittelquote anzunehmen”.3)§1 (3) URG Im Rahmen der URG Haftungsbestimmungen wird dabei auf die Eigenmittelquote und eine fiktive Schuldentilgungsdauer verwiesen. Dabei wird ein Reorganisationsverfahren vermutet, wenn die Eigenmittelquote weniger als 8% und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt.4)§22 (1) URG

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Eigenmittelquote

Die Eigenmittelquote im Sinne des URG ist der Prozentsatz, der sich aus dem Verhältnis zwischen dem Eigenkapital (§ 224 Abs. 3 A UGB) einerseits sowie den Posten des Gesamtkapitals (§ 224 Abs. 3 UGB), vermindert um die nach § 225 Abs. 6 UGB von den Vorräten absetzbaren Anzahlungen andererseits, ergibt. 5)§23 URG

Berechnung Eigenmittelquote

Eigenkapital zzgl. unversteuerte Rücklagen
Eigenmittelquote in % =
Gesamtkapital abzgl. Anzahlungen auf Vorräte

Eine Berücksichtigung von stillen Reserven ist nicht vorzunehmen.

Fiktive Schuldentilgungsdauer länger 15 Jahre

Die fiktive Schuldentilgungsdauer ist jener theoretische Zeitraum, den das Unternehmen benötigt, um seine Schulden inklusive Rückstellungen aus dem Cashflow der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zurückzuzahlen. Dabei werden das Fremdkapital gemäß Bilanz in Relation zur Ertragskraft des Unternehmens gesetzt.6)vgl. Lichtkoppler, Reisch in Handbuch Unternehmenssanierung S. 17 f.

Zur Errechnung der fiktiven Schuldentilgungsdauer sind die in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungen (§ 224 Abs. 3 B UGB) und Verbindlichkeiten (§ 224 Abs. 3 C UGB), vermindert um die im Unternehmen verfügbaren Aktiva nach § 224 Abs. 2 B III Z 2 und B IV UGB und die nach § 225 Abs. 6 UGB von den Vorräten absetzbaren Anzahlungen (= Nettoverbindlichkeiten), durch den Mittelüberschuss zu dividieren. 7)§ 24 (1) URG

Zur Ermittlung des Mittelüberschusses sind vom Jahresüberschuss/-fehlbetrag die Abschreibungen / Zuschreibungen auf Anlagevermögen sowie Gewinne / Verluste aus der Veräußerung von Anlagevermögen und die Veränderung der langfristigen Rückstellungen zu berücksichtigen. 8)vgl. § 24 (2) URG

Formel fiktive Schuldentilgungsdauer

Nettoverbindlichkeiten
Fiktive Schuldentilgungsdauer in Jahren=
Mittelüberschuss

 

Berechnung Nettoverbindlichkeiten

Rückstellungen
+ Verbindlichkeiten
Sonstige Wertpapiere
Kassa, Schecks, Bankguthaben
Anzahlungen
= Nettoverbindlichkeiten

 

Berechnung Mittelüberschuss aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit

Jahresüberschuss (nach Steuern)
+ Abschreibungen
+ Verluste aus dem Abgang von Anlagen
Gewinne aus dem Abgang von Anlagen
Zuschreibungen zum Anlagevermögen
+/- Veränderung von Rückstellungen
= Mittelüberschuss aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

Folgen & Haftung

Das Vorliegen einer Eigenkapitalquote kleiner 8% und eine fiktive Schuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren führt zunächst zu einer Redepflicht des Abschlussprüfers 9)§ 273 (2) UGB. Die Einleitung des Reorganisationsverfahrens obliegt alsdann der Geschäftsleitung, liegt allerdings in deren Ermessen.10)§1 (1) URG

Dennoch bestehen gemäß §22 – 28 URG eine Reihe von Haftungsbestimmungen, die bei der Vernachlässigung zu Schadenersatzforderungen führen können.

Wird über das Vermögen einer prüfpflichtigen juristischen Person, die ein Unternehmen betreibt, ein Insolvenzverfahren eröffnet, so haften die Mitglieder des vertretungsbefugten Organs gegenüber der juristischen Person zur ungeteilten Hand, jedoch je Person nur bis zu 100 000 Euro, für die durch die Insolvenzmasse nicht gedeckten Verbindlichkeiten, wenn sie innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

  • einen Bericht des Abschlussprüfers erhalten haben, wonach ein Reorganisationsbedarf vermutet wird und nicht unverzüglich ein Reorganisationsverfahren beantragt oder nicht gehörig fortgesetzt haben oder
  • einen Jahresabschluss nicht oder nicht rechtzeitig aufgestellt oder nicht unverzüglich den Abschlussprüfer mit dessen Prüfung beauftragt haben.11)§22 URG

Keine Haftung bei Gutachten eines Wirtschaftstreuhänders

Die Haftung tritt allerdings nicht ein, wenn die Mitglieder des vertretungsbefugten Organs unverzüglich nach Erhalt des Berichtes des Abschlussprüfers über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs (§ 22 Abs. 1 Z 1) ein Gutachten eines Wirtschaftstreuhänders eingeholt haben und dieses einen Reorganisationsbedarf verneint hat.12)§26 URG

Inhalte des Gutachtens

Das Gutachten des Wirtschaftstreuhänders hat insbesondere darauf einzugehen,

  1. ob die Fortbestandsprognose positiv ist,
  2. ob der Bestand des Unternehmens gefährdet ist,
  3. auf Grund welcher Umstände trotz Vorliegens der Kennzahlen nach § 22 Abs. 1 Z 1 kein Reorganisationsbedarf besteht,
  4. ob stille Reserven vorhanden sind und
  5. ob gesellschaftsrechtliche Beschlüsse, wie über eine Kapitalerhöhung, gefasst worden sind oder ein Verlustabdeckungsvertrag abgeschlossen worden ist.13)Details siehe §26 (2) URG

Weitere Folgen

Die Haftung entfällt außerdem, wenn bewiesen wird, dass die Insolvenz aus anderen Gründen als wegen der Unterlassung der Reorganisation eingetreten ist.14)§27 URG

Außerdem ist gemäß § 36 GmbHG von den Geschäftsführern ohne Verzug eine Generalversammlung einzuberufen. Allerdings wird die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung von der Literatur als totes Recht eingestuft: Es ist zwar eine Generalversammlung einzuberufen, aber es muss nichts Kon­kretes ver­an­lasst werden. Die Geschäftsführer müssen den Gesellschaftern lediglich zur Kenntnis bringen, dass die Kriterien des URG erfüllt sind.

Ablauf

Entscheidet sich die Geschäftsleitung dennoch für die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens, ist in weiterer Folge ein Reorganisationsplan auszuarbeiten. Dieser stellt die Ursachen der wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens sowie jene Maßnahmen, die zur Verbesserung der Vermögens- Finanz- und Ertragslage geplant sind, und deren Erfolgsaussichten dar. Begleitet wird dieses Verfahren von einem durch das Gericht bestellten Reorganisationsprüfer.15)§5 URG

Fazit

Aufgrund der hohen Kosten und der Öffentlichkeitswirksamkeit des Reorganisationsverfahrens, spielt dieses in der Praxis keine nennenswerte Rolle.

Der wichtigste Beitrag des URG sind allerdings die Kennzahlen (Eigenmittelquote kleiner 8% und Schuldentilgungsdauer größer 15 Jahre), auf welche sich die Bestimmungen des Eigenkapitalersatzgesetzes (EKEG) beziehen.

Weiterführende Links & Informationen

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FAQ

Der nachfolgende Abschnitt fasst Fragen, welche oft im Zusammenhang mit Sanierung und Restrukturierung gestellt werden, zusammen.

Aufgrund der hohen Kosten und der möglichen negativen Auswirkungen durch die Öffentlichkeitswirksamkeit des Reorganisationsverfahrens, spielt dieses in der Praxis eine untergeordnete Rolle.

Der wichtigste Beitrag des URG sind die Kennzahlen (Eigenmittelquote kleiner 8% und Schuldentilgungsdauer größer 15 Jahre), auf welche sich die Bestimmungen des Eigenkapitalersatzgesetzes (EKEG) beziehen.

Um ein Unternehmen in der Praxis erfolgreich zu sanieren, ist vor allem die Erstellung eines Sanierungskonzepts notwendig. Dieses erfordert aufgrund der Komplexität und des gegebenen Zeitdrucks einen klar strukturierten Sanierungsablauf. Wie dieser aussehen kann, erfahren Sie im Artikel Unternehmenssanierung.

Ein Sanierungsverfahren ermöglicht die Sanierung und anschließende Fortführung eines insolventen Unternehmens. Das Sanierungsverfahren kann dabei mit und ohne Eigenverwaltung beantragt werden. Beachten Sie jedenfalls die gesetzlich geregelten Anforderungen an einen Sanierungsplan.

Das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung ist ein Sanierungsverfahren unter der Kontrolle eines Masseverwalters.

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